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Einstein und der Unternehmenswert

In der modernen Unternehmensbewertung sind Substanz- und Vermögenswerte eines Unternehmens weitestgehend irrelevant. Fast! Denn stellt man gedanklich eine Parallele zu Einsteins berühmter Relativitätstheorie und der Formel

E = mc²

her, wobei E der Ertrags – oder Unternehmenswert und m die Masse – sprich: die Vermögensmasse eines Unternehmens sein soll, so kann ein Ertragswert E nur dann entstehen, wenn die Vermögensmasse m beschleunigt (c²) – oder betriebswirtschaftlich ausgedrückt für den Umsatzprozess eingesetzt – wird.

 

Paradox mutet auf den ersten Blick daher an, dass im Rahmen der modernen Bewertung scheinbar nur jenes Vermögen in den Unternehmenswert mit einfließt, welches gar nicht benötigt wird – also nicht betriebsnotwendig ist – und somit eigentlich „unbeschleunigt“ brach liegt. Der Grund scheint bei näherer Betrachtung aber einleuchtend:

Das heute zur Verfügung stehende (betriebsnotwendige) Vermögen wird dazu eingesetzt, hinkünftig (hoffentlich) Gewinne und somit mögliche Entnahmen zu generieren. Würde man dieses Vermögen zum Bewertungsstichtag versilbern, kann kein weiterer Umsatzprozess aufrechterhalten und können keine Gewinne mehr erzielt werden („Keine Energie ohne Masse“). Das Vermögen ist für den Umsatzprozess somit notwendig. Der Unternehmer hat daher zwei Möglichkeiten, den Wert des Vermögens für sich monetär zu nutzen: Er kann es verkaufen  – dies ist mit einer Liquidation des Unternehmens gleichzusetzen – oder er kann das Vermögen weiterhin betrieblich „beschleunigen“ und den monetären Nutzen aus zukünftigen Überschüssen ziehen! Beides zugleich ist nicht möglich. Kurz: Man kann eine Kuh entweder schlachten oder melken. Die zukünftig erzielten Überschüsse können somit als „Ertrag“ des eingesetzten (gebundenen) Vermögens (=Kapitals) interpretiert werden. Eine zusätzliche Bewertung der Substanz zum Stichtag wäre somit eine Doppelberücksichtigung. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen wiederum generiert keine Umsätze und kann somit verkauft oder anderweitig genutzt werden. Es ist im Ertragswert nicht berücksichtigt und wird daher eigenständig bewertet.

 

In der modernen Unternehmensbewertung stellt also der Ertragswert – der abgezinste Kapitalwert der zukünftig erwarteten Überschüsse – bzw. die abgezinsten zukünftig erwarteten Kapitalflüsse (sog. Discounted Cash Flow) den zentralen Wert bestimmenden Faktor dar. Hier sind wir aber bereits am Kern der Problematik jeder Unternehmensbewertung angelangt – bei der Abschätzung der Zukunft bzw. bei den Prognosen.

 

Albert Einstein wird nachgesagt, diese Problematik pointiert wie folgt kommentiert zu haben: „Prognosen sind dann besonders unsicher, wenn sie die Zukunft betreffen“.

Zur Unternehmenswertermittlung wird die Geschäftsführung daher angehalten sein, ein möglichst realistisches Zukunftsszenario hinsichtlich der zukünftigen Ertragsaussichten zu entwerfen, um am Ende ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Das Management sollte daher möglichst umfassend  alle denkbaren Einflussfaktoren berücksichtigen, Preis- und Marktentwicklungen antizipieren, Kaufverhalten der Kunden vorausahnen, kurz: im Idealfall hellseherische Fähigkeiten entwickeln. Da dies nicht möglich ist, bedient man sich in der Regel der Methode, Prämissen aufzustellen und Annahmen zu treffen, welche als ceteris paribus Bedingungen für den gesamten zu planenden Zeitraum als gegeben erachtet werden. Während aus den Vergangenheitsdaten des Unternehmens oft ein Trend ableitbar ist, der für eine Detailplanungsphase von etwa 3 Jahren in die Zukunft noch annähernd einleuchtend erscheint, kann über Perioden nach der Detailplanungsphase in der Regel kaum mehr eine sichere Aussage getroffen werden. Für diese gänzlich unbekannte Zeitspanne – welche darüber hinaus den Großteil der Lebensdauer eines Unternehmens ausmachen wird – wird methodisch vereinfacht davon ausgegangen, dass das Ergebnis des letzten Jahres der Detailplanungsphase (wohlgemerkt das am unsichersten zu planende Jahr) auch weiterhin in alle Zukunft erreicht werden wird. Der Barwert dieser gleichbleibenden Überschüsse wird durch die ewige Rente ermittelt und ergibt in manchen Fällen bereits bis zu 80% des zu ermittelnden Unternehmenswertes. Zynisch betrachtet besteht der objektivierte Unternehmenswert somit zu 80% aus Unsicherheit. Die Vereinheitlichung der Methodik der Unternehmensbewertung, die zumindest in Praktikerkreisen anerkannt wird, riskiert somit eine Vereinheitlichung von Fehlerquellen. Unter Berücksichtigung diverser „individueller“ Risiken im Kapitalisierungszinssatz versucht man daher Planungsfehler wieder auszugleichen. Oft ist jedoch der Ansatz der Höhe dieses Risikos „willkürlich“ wie die Planung selbst. Der mathematische Grundsatz  „minus mal minus ergibt plus“ wird hier 1:1 in „Unsicherheit X Unsicherheit = Sicherheit“ umgedeutet.

 

Wie findet man also einen Ausweg aus diesem Dickicht an Unwägbarkeiten. Nun, wer auf die Frage „Was ist mein Unternehmen wert?“ mit dem Satz antwortet „Soviel, wie jemand bereit ist, dafür zu bezahlen“ liegt ausgehend von der geschilderten Problematik näher an der Wahrheit wie jeder künstlich abgeleitete Zinssatz und jede halbherzig durchgeführte oder von realitätsfernem Optimismus oder vom eigentlichen Zweck der Bewertung subjektiv geprägte Planung. Denn: Den Marktwert bestimmt die Nachfrage. Börsennotierte Unternehmen erfahren jederzeit anhand des Zustands ihrer am Markt kursierenden Aktien, wie viel sie „wert“ sind. Dass der Markt nicht unfehlbar ist, muss angesichts der jüngsten Kapitalmarktvergangenheit an dieser Stelle natürlich nicht extra erwähnt werden, aber zu Vergleichszwecken bietet die Beobachtung von Börsenkursen – bzw. bei nicht börsennotierte Unternehmen (KMUs) die Entwicklung der Kaufpreise von sog. Peergroups – das sind Unternehmen gleicher Branche, Größe und Tätigkeit – ein Fenster in eine Welt der Wertermittlung abseits jeder Vermutung und Prämisse, die immerhin auf konkret durchgeführte Transaktionen zu konkret bezahlten Preisen beruhen. An dieser Stelle entschuldige ich mich natürlich für die gedankliche Gleichsetzung der Begriffe Preis und Wert, aber in einer rein „objektivierten“ Welt wie jener der Unternehmensbewertung werden rein monetäre Ziele unterstellt, Unterschiede zwischen subjektiven Wertvorstellungen und dem letztlich zu erzielenden Preis existieren hier nicht. Der erzielte bzw erzielbare Preis entspricht somit dem objektivierten Wert eines Unternehmens.

 

Der Ausweg:

  • Basis für eine solide und seriöse Unternehmensbewertung stellt eine von Marktkenntnis und Branchen- Know-How getragene Planung dar, die frei von jeglichen subjektiven Eitelkeiten zukunftsbezogen erstellt wird und deren Ertragsprognose hinsichtlich der analysierten Vergangenheitsdaten glaubwürdig argumentiert werden kann. Um den Vergleich mit der Physik noch weiter zu strapazieren: Wird die Beschleunigung der Vermögensmasse nach 20 Jahren erlebtem Schritttempo im Zuge einer Prognose plötzlich mit Lichtgeschwindigkeit angesetzt, ist die Qualität der Planung dementsprechend zu hinterfragen.

 

  • Die Abschätzung individueller Risiken, die das Unternehmen treffen, und gegenüber anderen Markteilnehmern benachteiligen, sollte vorsichtig erfolgen. Im Idealfall sind die individuellen Unternehmensrisiken bereits in der Planung der Entnahmeströme durch Abschläge – sozusagen Bremsschirme zur „Entschleunigung“ – berücksichtigt.

 

  • Mit der richtigen Methode kann das Ergebnis letztlich ausreichend genau anhand der Wirklichkeit plausibilisiert werden, wie etwa, in dem ein Vergleich mit den oben erwähnten Peergroups durchgeführt wird. Es kann überprüft werden, ob der ermittelte Wert innerhalb einer plausiblen Bandbreite von real für vergleichbare Unternehmen bezahlten Preisen liegt. Kein Unternehmen ist so einzigartig, dass es nicht genügend andere in der Branche gäbe, mit denen sich ein Vergleich lohnt. Oder wie Einstein sagen würde: Alles ist relativ!

 

(c) 2014.

Prof. Mag. Rudolf Siart,

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Wien,

SLT Gutachten GmbH

1160 Wien

Thaliastraße 85

Tel: 01 4931399-0

e-mail: siart@siart.at


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