Aus der (ständigen) unterhaltsrechtlichen Judikatur sind unterhaltsrechtliche Adaptierungen des Einkommens von Unterhaltspflichtigen ableitbar, welche in Folge (auszugsweise, ohne Anspruch auf Vollständigkeit) dargestellt sind.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des OGH in Bezug auf unterhaltsrechtliche Fragen – speziell im Zusammenhang mit der Ermittlung von Unterhaltsbemessungsgrundlagen – stark dadurch geprägt ist, dass einzelne betriebswirtschaftliche Fragmente aufgegriffen und anlassfallbezogen berücksichtigt werden. Derartige wirtschaftliche „Näherungsverfahren“ zur Ermittlung unterhaltsrechtlich relevanter Einkommen von selbständig Erwerbstätigen führen in den jeweiligen Anlassfällen meistens zu angemessenen Ergebnissen. Auch können die aus derartigen OGH-Entscheidungen ableitbaren Rechtssätze in der Regel inhaltlich auf Praxisfälle umgelegt und vor allem kostenökonomisch umgesetzt werden.
Eine konsistente, durchgehende betriebswirtschaftliche Grundlage lässt sich aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung jedoch nicht ableiten. Dazu sind die Entscheidungen zu kasuistisch, zu uneinheitlich. Solange in der OGH-Judikatur kein einheitliches betriebswirtschaftliches Grundkonzept manifestiert wird, welches eindeutig auf alle Praxisfälle umgelegt werden kann, sollte in der Praxis gewährleistet bleiben, dass Pflegschaftsgerichte unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen Indikatoren im Rahmen einer Gesamtsicht erkennen, wenn die vereinfachte Anwendung der betriebswirtschaftlichen Fragmente in OGH-Rechtssätzen im Einzelfall ein Zerrbild ergibt, welches nicht die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen widerspiegelt[1].
Es ist daher darauf hingewiesen, dass folgende (auszugsweisen) Rechtssätze nicht einfach unreflektiert angewendet werden sollten, sondern nur im Rahmen einer kritischen, betriebswirtschaftlichen Gesamtsicht auf den konkreten Einzelfall umgelegt werden sollten:
- Betriebsausgabenpauschale: Pauschale Betriebsausgaben sind wieder zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen hinzuzurechnen, sofern diesen rein steuerlichen Abzugsposten keine nachweislichen realen Ausgaben in dieser Höhe gegenüber stehen[2] (siehe „Basispauschalierung“).
- Gewinnfreibetrag: Der steuerliche Gewinnfreibetrag (gem § 10 EStG, sowohl der Grundfreibetrag, als auch der investitionsabhängige Gewinnfreibetrag – insbes für begünstigte Wertpapiere) ist wieder zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen hinzuzurechnen, sofern diesem rein steuerlichen Abzugsposten keine nachweislichen realen Ausgaben in dieser Höhe gegenüber stehen[3].
- Pauschale Aufwandsentschädigungen: Sofern es sich dabei nicht um den Ersatz (nachgewiesener) tatsächlicher Kosten, sondern um pauschale Werte handelt (zB fixe Sätze für Diäten), ist nach ständiger unterhaltsrechtlicher Judikatur die Hälfte dieser pauschalen Aufwandsentschädigungen wieder zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen hinzuzurechnen[4].
- Verlustträchtige selbständige Nebentätigkeit: Sofern ein Unterhaltspflichtiger, der sein Grundeinkommen zB aus einem Angestelltenverhältnis bezieht, Verluste aus einer selbständigen Nebentätigkeit erleidet, mindern diese nicht das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen, wenn keine positive Einkommensprognose vorliegt[5].
Neben diesen Leitsätzen, die sich auf in Einkommensteuererklärungen bzw -bescheiden ausgewiesene Einkünfte beziehen, können folgende weitere unterhaltsrechtliche Anpassungen relevant sein, bei denen kein entsprechender Ausweis gegeben ist und bei denen die unterhaltsrechtliche Anpassung praktisch in der Erfassung und Ergänzung weiterer einkommensrelevanter Zuflüsse selber liegt:
- Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Gesellschaften: im Rahmen von Gesellschaften (KG, OG, GmbH) können Gesellschaftern weitere geldwerte Mittel zufließen, die in das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen einzubeziehen sind (zB Adaptierungen von Gewinnverteilungen, die einem unterhaltsrechtlichen Fremdvergleich nichtstandhalten, Quasi-Entnahmen über Gesellschafter-Verrechnungskonten, Gewinnausschüttungen)
- Kapitaleinkünfte: Auch Kapitalerträge sind nicht in Einkommensteuerbescheiden ausgewiesen, sofern sie endbesteuert sind.
Quelle bzw. weitere Informationen:
Siart, Rudolf / Dürauer, Florian (2017): Praxishandbuch der Unterhaltsbemessung. Wien: Linde Verlag.
[1] Vgl. Siart/Dürauer, Der Beobachtungszeitraum für die Unterhaltsbemessung bei selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen, EF-Z 01/2008, S 12.
[2] Vgl. Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht (2016), S 50, OGH 2 Ob 193/14t.
[3] Vgl. Gitschthaler, Unterhaltsrecht (2015), Rz 221, Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht (2016), S 52, OGH 7 Ob 226/11b .
[4] Vgl. Gitschthaler, Unterhaltsrecht (2015), Rz 251 ff, Siart/Dürauer, Die Ermittlung von Unterhaltsbemessungsgrundlagen bei Dienstnehmern, iFamZ 02/2008, S 68 f .
[5] Vgl. Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht (2016), S 79, in OGH 7 Ob 197/07g wird auf die Maßfigur eines „pflichtbewussten, rechtschaffenden Familienvaters“ abgestellt: wenn auch diese Maßfigur eine selbständige Einkunftsquelle eröffnen würde, um zukünftig ein zusätzliches Einkommen generieren zu können, dann sind auch anfängliche Anlaufverluste aus dieser neuen Einkunftsquelle eine zulässige Abzugspost vom unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen.
veröffentlicht: 1. Mai 2019